Ich habe Schottlands Happy Place entdeckt. Er heißt Cromarty, liegt nur einen Katzensprung entfernt von Inverness auf einer Halbinsel und wer schon einmal hier war, der will am liebsten nie wieder weg.
Cromarty Schottland: ein Ort zum Glücklichsein
Tatsächlich habe ich nur von diesem Städtchen erfahren, weil Ruth, Gastgeberin meiner ersten Woche in Schottland, mir diesen Ort unbedingt zeigen wollte. Vor vielen Jahren wohnte sie hier, bevor sie das Leben weiter in das Landesinnere führte. Ihr Häuschen in Cromarty besitzt sie immer noch, sie vermietet es, denn irgendwann, so ist der Plan, will sie hier wieder zurück. „Irgendwas an diesem Ort macht mich einfach glücklich. Sobald ich die Kessock Bridge überquere und über den Beauly Firth auf die Black Isle fahre, fühle ich mich so leicht.“
Von Inverness auf die Black Isle
Ich verstehe sofort, was Ruth meint, als wir nach einer halbstündigen Fahrt auf einspurigen Straßen durch das schottische Hochland in Inverness über die Brücke fahren und auf der Black Isle ankommen. Der Himmel ist blau wie er blauer nicht sein könnte, auf den Feldern blüht gelb der Raps und vor uns erstreckt sich die Halbinsel in all ihrer herbstlichen Schönheit. Wir erreichen bald Rosemarkie, ein Juwel mit Sandstrand, beliebt für die Sommerferien und ein Hotspot zum Delfine beobachten. Wir halten nur kurz, denn wir heute haben wir ein anderes Ziel. Als wir aus Rosemarkie wieder hinausfahren, passieren wir ein einladendes Inn. Ich merke es mir für den nächsten Besuch.
Wanderung in Cromarty auf den South Sutor
In Cromarty stellen wir das Auto ab und gehen los. Ein paar Schafe haben sich die Ebbe zunutze gemacht und sind von ihrer saftig-grünen Wiese an den steinigen Strand gewandert.
Nach ein paar Metern beginnt der Wanderweg auf den South Sutor. Die Sutors sind zwei Felsen, die wie mächtige Torwächter den Zugang zum Cromarty Firth markieren. Über die Sutors werden viele Geschichten erzählt. „Sutor“ ist das schottische Wort für Schuster und die beiden Felsen waren, so besagt die Legende, einst zwei riesige Schuhmacher, die sich ihre Werkzeuge gegenseitig über den Firth zuwarfen. Von hier aus wurde in den zwei Weltkriegen nach feindlichen U-Booten Ausschau gehalten, Spuren der ehemaligen Verteidigungsposten kann man hier und da noch sehen.
Hier ist das Wasser so tief wie sonst fast nirgends in Schottlands Küstennähe, deshalb passieren hier viele Transport-, Militär- und Kreuzfahrtschiffe, die im nahe gelegenen Invergordon anlegen. Wir wandern bergauf, durch Misch- und Birkenwäldchen und immer wieder hält Ruth inne, um nach Delfinen Ausschau zu halten.
Oben angekommen haben wir einen atemberaubenden Blick auf Cromarty, das ganz an der Spitze der Halbinsel gelegen ist. Was ist das besondere an diesem kleinen Städtchen mit seinen gut 700 Einwohnern? Es ist das Zusammenspiel von unaufgeregter Schönheit, mildem Klima und einer funktionierenden Community, das den Zauber von Cromarty ausmacht.
Geschichte Cromarty
Schon 1200 taucht Cromarty in den Geschichtsbüchern auf. Mit seinem Status als „Royal Burgh“ darf Cromarty Handel treiben. Im 16. Jahrhundert nimmt die Wirtschaft erneuten Schwung auf, zunächst mit dem Export von gepökeltem Fisch und später mit dem Beginn der Landwirtschaft. Hanf- und Schweinezucht sowie Schiffbau, Bierbrauerei und Seehandel waren die Hauptstandbeine des florierenden Örtchens. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zählte Cromarty über 2.200 Einwohner, ein Bevölkerungszahl, die seitdem stetig sank.
Es folgte eine bewegte Geschichte mit vielen Rückschlägen und Herausforderungen, nach dem Ölboom in den 1970er Jahren folgte die Ölkrise, von der die verlassenen Ölbohrplattformen vor der Küste zeugen.
Sehenswürdigkeiten
Der ganze Ort ist eine Sehenswürdigkeit für sich, ohne dabei im musealen Charakter zu erstarren. Die viktorianischen Fischerhäuschen sowie die georgianischen Handelshäuser bestimmen das Stadtbild. Das Cottage, in dem der Geologe und Schriftsteller Hugh Miller geboren wurde, gehört heute zum National Trust und kann besichtigt werden.
Im Cromarty Courthouse Museum erfährst Du alles, was es über die Geschichte Cromartys zu berichten gibt, und das bei freiem Eintritt!
Das Cromarty Lighthouse kann einmal jährlich am Tag der offenen Tür besichtigt werden, Infos zu den Open Door Days gibt es hier. Fun Fakt: Der Leuchtturm wurde von Alan Stevenson erbaut, der wiederum der Onkel von Robert Louis Stevenson war, dem Autor der Schatzinsel.
Cromarty: Konserviert, aber total real
Cromarty ist eine „conservation area“. Hier soll alles möglichst so bleiben, wie es ist, deshalb gibt es hier keinen Costa Coffee, kein Pret-a-manger und keine Boot’s Pharmacy. Wer hier etwas Neues bauen will, der muss eine lange Listen an Auflagen erfüllen. Ein neues Fenster, eine Garage, eine Veranda, selbst für die Bemalung der eigenen Hauswand muss eine Genehmigung vom Highland Council eingeholt werden. Wenn Du jetzt denkst, dass Cromarty ein musealer Ort ist, an dem Du bloß nix anfassen darfst: weit gefehlt.
Einen wesentlichen Teil des Zaubers von Cromarty macht das echte Leben, das hier noch stattfindet, aus. Schaust Du auf den Firth hinaus, siehst Du mit etwas Glück ein paar spielende Delfine oder ein paar Angler in ihren Booten. Vor den pittoresken Cottages flattert die Weste im Wind, ein älterer Herr in Gummistiefeln und Barbour-Jacke führt seinen Jagdhund aus. Damit das bloß nicht zu viel wird an einem wahr gewordenen Rosamunde-Pilcher-Film springen Dir die ausrangierten Ölbohrplattformen brutal real ins Auge. Die „ghost rigs“ stehen einfach so da, als scheinen sie auf einen erneuten Einsatz zu warten. Die einzigen Ansichstkarten des Orts erhältst Du im Post Office, hier bekommst Du aber genauso eine recht ansehnliche Auswahl diverser Fidget Spinner sowie Schreibwaren und Edelschokoladen.
Es gibt einen Minimarkt und eine kleine Töpferei, die im Sommer kleine Statuen von Nessie an die Touristen verkauft und ansonsten die örtliche Gastronomie (und mich) mit sehr hübschem Geschirr versorgt.
Cromartys Einwohner: Locals, Künstler und Kreative
So wie die unterschiedliche Architektur Cromartys miteinander harmoniert, so funktioniert auch das Zusammenleben der unterschiedlichen Einwohner. Künstler und Kreative aus ganz Großbritannien zieht es nach Cromarty, dennoch ist das hier genau so ein Ort für die ganz normalen Menschen „mit echten Jobs“, wie Ruth mir erzählt. Seitdem sie in Cromarty lebte, hat sich zwar einiges verändert (das Sterne-Restaurant war einst eine Metzgerei), die Immobilienpreise sind aber dennoch erstaunlicherweise erschwinglich.
Helen Gardiner, die Inhaberin des Antiquitätenshops ist eine kleine Berühmtheit durch ihre Teilnahme an der Antiques Road Show, der BBC-Version der TV-Show „Kunst & Krempel.“ Eine weitaus größere Berühmtheit hat sich hier ein stattliches Sommerhäuschen gekauft: Beststeller-Autor Ian Rankin bekommt die Ideen für seine Krimis garantiert hier, in Cromarty, wenn er an seinem Schreibtisch sitzt und aufs Wasser hinausschaut.
Essen gehen in Cromarty
Ins pittoreske The Pantry geht man zum Afternoon Tea, wenn es Michelin-Guide-prämiertes Seafood oder eine Pizza aus dem Holzofen sein soll, dann ist Sutor Creek die erste Adresse auf der ganzen Black Isle. Ruths Kinder schwärmen vom Milkshake im dazugehörigen Sutor Creek Café, ich habe mir als Dessert stattdessen eine Coconut Tart aus der Cromarty Bakery gegönnt. Davon gegenüber ist der lokale Käseladen The Cheese House, neben holländischem Gouda gibt es das beste, was Schottland an Käse zu bieten hat, darunter den fantastischen Isle of Mull Cheddar.
Die beste Zeit für Reisen nach Cromarty
Cromarty ist mit einem milden Klima gesegnet, deshalb lohnt sich ein Besuch egal zu welcher Jahreszeit. Am meisten regnet es im August, am wenigsten im April. Delfine kann man das ganze Jahr sehen, wenn man das Glück hat, sie zu sehen. Infos und Tipps über die besten Zeiten, um Delfine in Cromarty zu sehen, findest Du hier. Im Juli wird es voller in Cromarty, da kommen die Städter aus Glasgow, Inverness und Edinburgh um ihre Sommerferien auf der Black Isle zu verbringen. Zu dieser Zeit ein Ferienhaus zu bekommen ist schwierig. Als ich Anfang Oktober in Cromarty bin, kurz vor den schottischen Herbsterien, ist Cromarty geschäftig, aber dennoch nicht überlaufen. Auf unserer Wanderung sind wir nur zwei anderen Wanderern und einem Spaziergänger mit Hund begegnet.
Auf nach Cromarty!
Ich hoffe, ich habe Dir Lust auf einen Besuch in Cromarty gemacht. Ich träume davon, mir über die Wintermonate dort irgendwann ein Cottage zu mieten, an meinem Buch zu schreiben und über ein Pint oder zwei darüber mit Ian Rankin zu quatschen. Aber selbst wenn Du nur auf eine Stippvisite oder einen Tagesausflug in Cromarty bist, ein Besuch lohnt sich dort. Immer. Am Strand entlang laufen, nach Delfinen Ausschau halten oder einfach nur diese besondere Luft zu atmen: Cromarty ist Schottlands Happy Place und wenn Du einmal dort warst, dann weißt Du auch warum. Und falls Du mal dort bist, dann vergiss‘ nicht, mir eine Postkarte von Cromarty zu schreiben!
Cromarty Reise Information
Anfahrt Cromarty: Von Inverness bist Du in einer halben Stunde Autofahrt in Cromarty. Busse fahren stündlich ab Inverness, die einfache Fahrt dauert ungefähr 45 Minuten und kostest um die fünf britische Pfund.
Unterkunft Cromarty: Unterkünfte wie Hotels, Bed & Breakfasts oder Cottage für eine längerfristige Miete findest Du auf der Website von Cromarty Live.
Weitere Informationen Cromarty: Informationen über Cromarty und die Black Isle erhältst Du auf Black-Isle Info.
Buchtipp: Ian Rankin „Schlafende Hunde“*. Der 19. Fall von Inspector Rebus spielt zwar in Edinburgh, wurde jedoch komplett in Cromarty geschrieben.
Choices of Life Blogparade
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