Rosamunde Pilcher ist tot. Vielleicht wunderst du dich, dass mir diese Nachricht einen Blogpost wert ist, denn normalerweise geht es hier eher um Popkultur statt um Liebesschnulzen. Ich beschäftige mich seit einer Weile mit der Autorin, bin ungemein fasziniert und als ich heute von zwei verschiedenen Freundinnen diese Eilmeldung bekommen habe, war ich tatsächlich davon berührt.
Wer war Rosamunde Pilcher?
Rosamunde Pilcher war eine britische Autorin, die in Deutschland vor allem durch die ZDF-Verfilmungen ihrer Liebesromane zu Ruhm gelangte. Geboren wurde sie 1924 in Cornwall, verstorben ist sie am heutigen 7. Februar 2019, wahrscheinlich in Schottland, zumindest hat sie dort in der Nähe von Dundee zuletzt gewohnt.
In den 94 Jahren, die Rosamunde Pilcher auf dieser Erde weilte, hatte sie ein recht abwechslungsreiches Leben. Sie ist berühmt, aber auch irgendwie nicht. „Die Pilcher“ ist ein Synonym für heile Welt, für ein Bilderbuch-England das aus kleinen Fischerdörfern, stattlichen Herrenhäusern und lieblichen Landschaften besteht – mit freundlichen Einheimischen und schönen Menschen der englischen Upper Class.
Rosamunde Pilcher: Kitsch und Klischees
Ein reaktionäres Rollenverständnis wurde ihr vorgeworfen, in dem Frauen vor allem gut aussehen, dem Mann eine gute Geliebte und den Kindern eine gute Mutter sein müssen. Vielleicht belächelst du die Menschen, die sich Sonntag Abend um 20:15 die klischeehaften Geschichten rund um Liebe, Verrat und dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse reinziehen.
Natürlich ist es ein wenig albern, wenn englische Lords und Ladies von bekannten deutschen Schauspielern dargestellt werden, die mitunter nichtmal das englische „th“ beherrschen. Ich kann ich an einige „Miss Russerfords“ erinnern, die da eigentlich hätten „Rutherford“ heißen müssen.
Rosamunde-Pilcher-Filme: Happy-Pille gegen den Alltagsblues
Genau so, wie manche beim Laufen abschalten, beim Mantrasingen oder beim Paint-Ballspielen sind diese 90 Minuten Pilcher für viele Menschen pure Entspannung. Eine kleine Flucht des Alltags, eingebettet in eine Umgebung, die einen wegträumen lässt aus dem schmuddeligen Februarwetter im schwäbischen Aalen oder im badischen Tettnang.
Denn, und das ist jetzt höchstunwissenschaftlich und überhaupt nicht empirisch belegt, aber die Statistiken für meinen Blogartikel zu den Rosamunde-Pilcher-Drehorten sagen ziemlich deutlich, dass dieser meistens von Menschen aus dem südlichen Teil der Republik gelesen wird. Keine Ahnung warum, aber „Herzkino“ scheint man gerade dort unten ganz gut zu gebrauchen.
Rosamunde Pilcher und Cornwall
Ich habe mir immer vorgestellt, dass Rosamunde Pilcher in ihrem kleinen blauen Fischerhäuschen irgendwo in Cornwall am Meer sitzt und ihre Romane schreibt. Dass währenddessen der freundliche Dorfbäcker mit Gummistiefeln vorbeikommt und ihr ein paar Scones mitbringt, Jam First, natürlich, the Cornish way.
Recht groß war mein Schock, als ich erfuhr, dass Rosamunde Pilcher seit ihrer Heirat im Jahr 1946 überhaupt nicht mehr in ihrer Heimat wohnte. Mit ihrem Mann, für den sie ihren Mädchennamen Scott ablegte, lebte sie in Lonforgan in der Nähe von Dundee in Schottland.
Rosamunde Pilcher Reisen nach Cornwall
Nichtsdestotrotz bescherten die Romane von Rosamunde Pilcher und vor allem die Verfilmungen einen Riesenboom für Reisen nach Cornwall. Es gibt mehrere Anbieter für „Reisen auf Rosamunde Pilchers Spuren“ und, richtig geraten, auch hier sind es die Deutschen, die sich in Pilchers Cornwall verliebt haben und das unbedingt mal in echt sehen wollen.
Ganz Cornwall – nur eine Kulisse?
In Cornwall sieht man –wie wahrscheinlich überall wo die Situation ähnlich ist– beide Seiten der Medaille. Auf der einen Seite die Ankurbelung der Wirtschaft und Touristen die Geld mitbringen, auf der anderen Seite die typischen Folgen wie Verdrängung der Einheimischen, explodierende Mietpreise, vielleicht ja sogar der Ausverkauf Cornwalls.
Von einer „Rosamunde-Pilcher-Industrie“ ist die Rede, während das wahre Cornwall, das heute trotz des Tourismusaufschwungs strukturschwach und arm ist.
Von höchst offizieller Stelle erhielten sowohl Frau Pilcher als auch das ZDF ihren Segen, in Form des British Tourism Award 2002, für „die eindrucksvolle Darstellung britischer Landschaften“. (Quelle: Wikipedia).
Rosamunde Pilcher: big in Germany
….aber nicht in Cornwall. Pilcher ist sowas wie der David Hasselhoff der Liebesliteratur: in ihrer Heimat nicht vielen bekannt, in Deutschland ein Superstar. So ist es kaum vorstellbar, dass in Cornwall heute Staatstrauer herrscht, während hierzulande die Presseagenturen Eilmeldungen zum Tod Rosamunde Pilchers verschickten.
Verkannt ist Rosamunde Pilcher in ihrer englischen Heimat dennoch nicht: 2002 wurde ihr der OBE-Titel, „Officer of the order of the British Empire“ verliehen und 2016 dankte ihr Prinz Charles höchstpersönlich für ihre Verdienste und die über 100 Romanverfilmungen.
Romantik ist ein harter Job
Die Rosamunde-Pilcher-Filme hören meist genau dann auf, wenn es eigentlich spannend werden würde. Dass eine langjährige Ehe, wie Rosamunde Pilcher sie mit ihrem Mann Robin führte, bis er 2099 verstarb, alles andere als nur romantisch ist, wusste die Schriftstellerin nur allzu gut aus eigener Erfahrung:
Marriage isn’t a love affair. It isn’t even a honeymoon. It’s a job. A long hard job, at which both partners have to work, harder than they’ve worked at anything in their lives before. (Quelle: http://forreadingaddicts.co.uk)
Den Protagonisten ihrer Geschichten haben wir nicht bei diesem Job zuschauen können, aber gut zu wissen, dass auch in der scheinbar heilen Welt der Rosamunde Pilcher ein gutes Maß an Realität herrschte.