Schottland im Lockdown – wie fühlt sich das für die Menschen an? Wer in den Highlands lebt, der ist Einsamkeit gewohnt, aber was machen die Menschen, die eine Großstadt wie Edinburgh ihren Lebensmittelpunkt nennen?

Edinburgh im Lockdown

Ich liebe Edinburgh aus vielen Gründen – und nicht zuletzt wegen der Menschen. Ich wollte wissen: Was machen sie in Zeiten von Corona, wenn die Restaurants und Pubs geschlossen haben, wenn die Einkaufsstraße Princes Street auch zur Rush Hour genauso leer ist wie sonst nur zum Sonnenaufgang und wenn Social Distancing das Gebot der Stunde ist? Wie halten sie die Stimmung aufrecht und was werden sie als erstes tun, wenn auch in Schottland die ersten Corona Lockerungen erfolgen?

burgberg in edinburgh
Castle Hill in Edinburgh. Foto Paul Roberts.

Ein Stimmungsbild aus Edinburgh in Lockdown, das meine Sehnsucht nach der schottischen Hauptstadt mit seinen Einwohnern nur noch größer macht.

Phil, arbeitet für eine Bank und lebt seit 2012 in Edinburgh (Newhaven/Granten)

Der Lockdown hat eine enorme Auswirkung auf mein Leben. Zum einen positiv, denn ich konnte relativ unkompliziert meiner Arbeit vom Home Office ausgehen. Das bedeutet jeden Tag zwei Stunden weniger pendeln, was mir viel Zeit und Geld spart. Zum anderen hat der Shutdown auch eine sehr negative Auswirkung: Ich bin derzeit von meiner Frau räumlich getrennt, die nach einer Operation gerade bei ihren Eltern in East Lothian lebt, da unsere Wohnung nicht barrierefrei ist. Jetzt kann ich sie nicht einmal an den Wochenenden besuchen.

Phils Aussicht im Home Office in Edinburgh
Nicht von schlechten Eltern: Phils Aussicht im Home Office in Edinburgh. Foto: Phil Allwright

Meine Freizeit verbringe ich jetzt anders als zuvor: ich kann nicht mehr, wie sonst immer, im botanischen Garten spazieren gehen oder in den Pub, zu Comedy Shows oder Konzerten gehen. Die Royal Botanic Gardens vermisse ich dabei am meisten.

Am meisten vermisse ich die Royal Botanic Gardens.

Weil ich im Norden der Stadt lebe, habe ich es nicht weit bis dorthin und ich liebe es einfach, mich dort zu erholen, all die wunderschönen Pflanzen zu sehen und danach einen Kaffee und Kuchen gleich dort oder in Stockbridge zu genießen.

Die Polizei kontrolliert in Edinburgh am Strand die Social Distancing Regeln
Die Polizei kontrolliert in Edinburgh am Strand die Social Distancing Regeln. Foto: Phil Allwright

Stattdessen heißt ausgehen für mich jetzt in Newhaven/Granten am Wasser entlang zu laufen. Allerdings ist es seit dem Lockdown dort voller geworden, weil eben viele Menschen genau dorthin kommen, um zu laufen. Ansonsten mache ich derzeit tatsächlich viele Dinge, die ich davor nicht getan habe: ich lerne Klavierspielen und frische meine jahrelang vernachlässigten Deutschkenntnisse wieder auf. Und ich schreibe für meinen Blog.

Wenn das alles vorbei is hoffentlich im Sommer – werde ich im The Shore ein Bier trinken gehen, vielleicht eine Käseplatte bei Teuchters Landing essen und durch Leith ins Zentrum spazieren, um mir dort im The Stand eine Comedy Show anzusehen.

Ashley, Fotografin, Bloggerin & Youtuberin, lebt in Edinburgh seit 2015

Nach draußen gehen, um Sport zu machen, ist hier erlaubt, deswegen machen wir deutlich mehr Spaziergänge als vor Corona. Wir haben das Glück, nicht so weit vom Zentrum Edinburghs zu wohnen, deswegen laufen wir oft zur goldenen Stunde dort hin.

Bahnhof Edinburgh im Lockdown
So leer wie sonst nie: der Bahnhof Edinburgh Waverley. Foto: Ashley Bielawska

Seit dem Lockdown haben wir unseren zuvor sehr schnellen Lifestyle stark runtergefahren. Meiner Meinung nach ist die Pandemie genau das, was unsere Erde gebraucht hat – natürlich abgesehen von den Menschen, die dadurch ihr Leben verloren haben. Ich habe den Lockdown zum Glück recht früh akzeptiert, weshalb ich kurioserweise absolut gar nichts vermisse.

Ashley und ihr Mann Arek bloggen auf One Journey Away über das Reisen.

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Lynda aus Bonnyrigg

Ich bin seit 12 Wochen im Lockdown, weil ich Asthma habe und deshalb nicht arbeiten kann, ich werde zum Glück aber weiterhin bezahlt. Mit mir zuhause sind mein Mann, unsere 17-jährige Tochter Jasmine und unsere drei Katzen Tiggs, Cami und Boo. Für Jasmine ist es am schwierigsten: keine Schule und Prüfungen aufgeschoben, keine Abschlussfeier, keine Party zum 18. Geburtstag und totale Unsicherheit in Bezug auf die Uni. Es nimmt sie alles sehr mit.

Wir trinken zu viel Rotwein.

Ich vermisse die Zeit mit der restlichen Familie und Freunden, Ceilidhs, essen gehen, Shopping, Theaterbesuche, Rugby im Pub schauen (und unsere Kreuzfahrt, die abgesagt wurde).

mad tea party
Lynda und ihre Tochter Jasmie veranstalten eine virtuelle Mad Hatter’s Tea Party

Wir leben in Bonnyrigg, einer sehr ruhigen Gegend in Edinburgh, und die Busse ins Stadtzentrum, die normalerweise voll mit Menschen sind, fahren gerade so gut wie leer.

Was wir momentan machen? Wir gehen sehr viel spazieren, haben Kartoffeln gepflanzt und als nächstes sind Erbsen dran – wir genießen unseren Garten. Wir haben es mit puzzlen versucht – ein absoluter Fail –, chatten mit Freunden via Facebook und wir hatten sogar eine „Mad Tea Party“ mit Familienmitgliedern aus den USA. Und wir trinken zu viel Rotwein.

Jennifer, Beamtin, lebt seit 2013 in Edinburgh

Ich arbeite immer noch, deswegen hat der Corona Lockdown keine direkten beruflichen Auswirkungen für mich. Ein größeres Problem ist allerdings, dass ich meine Tochter seit Weihnachten nicht gesehen habe und jetzt nicht sehen kann. Meine Frau wurde in ihrem Job beurlaubt und die daraus resultierende Lohnkürzung hat natürlich Auswirkungen auf uns beide. 

Am meisten vermisse ich es, mit meinen Freunden essen zu gehen und mit meinem Campervan herumzureisen. Unsere einzige regelmäßige Aktivität sind die Spaziergänge mit unserem Hund. Letzten Sonntag war ich zum ersten Mal für eine längere Tour mit meinem Rad unterwegs.

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Leere Straßen in Edinburgh. Foto: Jennifer McDonald

Wenn das alles vorbei ist, holen wir das Geburtstagsessen meiner Frau nach, das wir verpasst haben….mit einem schönen Steak bei Kyloe.

Chris, arbeitet im Finanzsektor, ursprünglich aus Australien, lebt seit 2013 in Edinburgh

Ich arbeite von zu Hause aus, deswegen ist der Lockdown keine so große Sache für mich, außer natürlich dass meine liebsten Pubs und Restaurants geschlossen sind. Am meisten vermisse ich Cricket, das gerade nicht gespielt wird. Und eigentlich wäre ich am 26. April den London Marathon gelaufen – ich hoffe sehr, dass er im Oktober nachgeholt wird.

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Chris aus Edinburgh: Lauftraining trotz ausgefallenem London Marathon. Foto: Chris Fox

Genau wie vor Corona gehe ich also sehr viel laufen. Was sich aber intensiviert hat, ist die Zeit, die ich mit meiner Frau und Tochter verbringe. Wir backen Brot und kochen zusammen – seit dem Lockdown vor 40 Tagen haben wir nur zweimal Essen bestellt. 

Hausberg Edinburgh
Noch beliebter im Lockdown als sonst eh schon: Wandern auf den Hausberg von Edinburgh. Foto: Chris Fox.

Luciana, Immobilienmaklerin, ursprünglich aus Brasilien, lebt seit 2014 in Edinburgh

Meine Stimmung im Lockdown ändert sich stetig – mal bin ich total ruhig, mal mache ich mir extrem viele Sorgen und machmal deprimiert mich die Situation sehr. Ich vermisse das Reisen am meisten. Sobald es möglich ist, werde ich mir ein Flugticket nach Brasilien kaufen und meine Mutter besuchen.

Seit den Ausgangsbeschränkungen ist mein Laufrhythmus regelmäßiger geworden und ich gehe jetzt dreimal pro Woche laufen. Und ich koche jetzt immer abends am Freitag und Samstag.

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The Meadows in Edinburgh. Foto: Emily Murphy

Schottland nach dem Lockdown

Derzeit wird in Großbritannien und Schottland über eine Lockerung der Beschränkungen diskutiert, die eventuell bereits in der kommenden Woche umgesetzt werden – eventuell aber eben auch nicht. Wann wir wieder nach Schottland reisen können, ist noch ungewiss. Vielleicht hast du aber Lust, bis dahin eine virtuelle Reise nach Großbritannien zu unternehmen oder dir Lust auf Edinburghs Cafés und Aktivitäten zu machen.